Rezension "Stunde der Wahrheit"

von Stormbringer

„Tagediebe, Taugenichtse, Spielleut`, Streuner und Gelichter, alle die hier nichts mehr hält: Uns gebührt der Thron der Welt!“ Der „Alten Musik“, also jener aus den verschiedenen Epochen vor 1750, scheinen viele Menschen ihre Sympathie zu bezeugen: Ritterfeste, Gauklertreffs, „Pen and Paper“ – Spiele wie Schwarzes Auge und andere anachronistische Zeitvertreibe sind eine beliebte Alternative zur modernen Unterhaltungsindustrie, die „Shoppen“ oder „Zocken“ als sozialen Umgang werten. Warum das gerade bei Metalfans so beliebt ist, hat mehrere Gründe: In kaum einer anderen Musikrichtung werden die Kleidungsriten vergangener Zeiten mit solch Liebe zum Detail imitiert. Während die Männer mit Nieten und Ketten schon dem Rittersmann ähneln, huschen die Frauen mit Vorliebe in prachtvoll geschnürten Kleidern und Miedern bei Konzerten übers Parkett. Für Außenstehende ein amüsantes Schauspiel, für Beteiligte ein phantasievolles Eintauchen in eine andere Welt. Zudem funktioniert die vermeintlich paradoxe Verbindung von elektrifizierten, schweren Gitarrenriffs (denn nichts anderes zeichnet „Metal“ im ursprünglichsten Sinne aus) und zarten Holzinstrumenten, wie Dudelsack (auch Sackpfeife genannt), Mandoline, Geige und Flöte außerordentlich gut. Dies stößt auf offene Ohren, wie der Erfolg von „In Extremo“, „STS“ oder „Corvus Corax“ zeigt und bezeugt die deutschsprachige Besonderheit dieses Genres. CUMULO NIMBUS machen Renaissance-Musik, wie es im Infoblatt heißt. Im Unterschied zu vorhergenannten Lyricbands, wirft die Landsberger Band ein romantisches, eingängiges, gutmütiges Bild der vergangenen Zeit, auch wenn es existenzielle Probleme wie bei „Feuerteufel“ beschreibt. Jedes Lied verbindet Geigen, Flöten und eben harte Gitarren zu einem enorm unterhaltsamen Gedankenausflug einige Jahrhunderte zurück. Machis Faible für Minnengesang ist ohrenscheinlich, der Sänger schafft es bei jedem Song wunderbare Harmonien zu erfinden, mal energisch, mal nachdenklich balladesk. Es verwundert nicht, dass es sechs Jahre gedauert hat, um das Debüt aufzunehmen. 12 durchdachte Nummern, stets am Song orientiert, immer als homogene Einheit die sechs Musikanten. Bis auf den „Englischen Tanz“ von John Playford, der eine typisch lustige, enorm tanzbare Melodie hat, greifen CUMULO NIMBUS nur auf eigene Kompositionen zurück. Die getragene Melodie vom phantastischen Abschlusslied „Vogelfrey“ offenbart dann doch noch den Bezug zur modernen Rockmusik, wenngleich eine wehleidige Melancholie zurückbleibt. Ein ungemein warmes Album ohne Hektik, mit perfekt arrangierten Songs. Mal gucken, ob dies für die nächsten drei Jahrhunderte reicht. Wertung: 4.0 von 5.0

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